MUSOLF
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Paul Pfeffer
Das Panoptikum des Johannes Musolf
Der Mann ist ein Geschichtenerzähler. Dieser Eindruck, der sich mir bei
früheren Ausstellungen Johannes Musolfs bereits aufgedrängt hat, verdichtet
sich in Siegburg 1991, als ich seine große Installation „Romanfragment" zum
ersten Mal sehe. Unter idealen Präsentationsbedingungen erlebe ich eine
„epische" Skulptur, eine begehbare Geschichte. Zunehmend fasziniert verfolge
ich, wie die Einzelszenen bekannte Musolfsche Motive aufnehmen, variieren
und weiterführen. Ich bin überrascht.
Da ist ein Johannes Musolf zu erleben, der in verschmitzter Leichtigkeit,
gewissermaßen in Erzähllaune, seine Bilder und Chiffren ausbreitet, auf daß
sich das Publikum daran reibe.
Das Romanfragment. |
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Ich stehe davor,
gehe vorbei, hindurch, wechsele den Standort, bewege mich nach links, nach
rechts, bleibe wieder stehen. Ich werde zu assoziativen Exkursionen
verführt, sehe unversehens meine eigene Bildermaschine im Kopf in Gang
gesetzt, glaube hier und da kunsthistorische Zitate zu erkennen und bin
verwirrt. Zitiert Musolf in der mittleren Szene Grünewald? Oder zitiert
Musolf Musolf.
Gespräche zwischen den Besuchern der Ausstellung entspinnen sich. Eine
ältere Dame denkt laut nach: Wieso fehlen den lebensgroßen Figuren aus
Hasendraht und Papier die Hände und Füße? Ist der Mann im Hintergrund, der
ein Reinigbündel auf dem Rücken trägt, der Mann im Mond? Was soll der
voluminöse rote Büstenhalter mit den Noten von Busoni und dem Geigenbogen im
Vordergrund? Jemand antwortet, ich werde in das Gespräch hineingezogen und
spüre: Hier entwickelt sich Kommunikation, Publikumsgeschichten antworten
auf Musolfs szenische Erzählungen. Ich gerate selber in Erzähllaune und gebe
der erstaunten älteren Dame etwas von der Kreuzabnahme Christi zum besten,
die ich in der mittleren Figurengruppe zu erkennen glaube. Unsinn, erklärt
unwirsch ein Krawattenträger mittleren Alters, in der Mitte das sei kein
religiöses Motiv, das sei ein Liebespaar. Endlich habe Musolf einmal eine
Frau gebaut, dazu noch ganz gut proportioniert und mit bunten Illustrierten
gefüllt. Wieso füllt er denn die Frau mit bunten Illustrierten und den Mann
nicht? will die ältere Dame wissen. Der Krawattenträger schürzt die Lippen
und legt die hohe Stirn in Falten. Er weiß es nicht. Noch nicht.
Ich bin entzückt.
Selten habe ich erlebt, daß bei einer Ausstellungseröffnung so lebhaft über
Kunst diskutiert wird.
Die typisch Musolfschen Bezeichnungen der
Einzelszenen, die er nicht als Titel aufführt, aber gelegentlich nennt, sind
schon ein Ereignis für sich: Assoziationswecker, Rätsel, Verwirrspiele mit
der Vieldeutigkeit von Begriffen. Ich will sie hier nicht einführen.
(Siehe Untertitel)
Ich konzentriere mich auf das, was ich sehe, beginne meine assoziative tour
d'horizon von vorn:
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 (Hänsel) |
Ganz linke eine rote Fahne, die ins Netz gegangen ist, daneben einer, der
dabei ist, seine Kiste zu verlassen, in der er vielleicht schon dreißig
Jahre gesteckt hat. Der mit der Pflugschar wühlt sich schon durch, solche
schaffen es immer. Dahinter ein schwer beschädigter Achill, der gerade dabei
ist, erschossen zu werden. Sein Schild wirkt dabei wie eine Zielscheibe.
Jeder hat sein Bündel zu tragen, sagt der bucklige flache Typ auf dem
Garderobenständer, der einzige übrigens, der nicht aus Hasendraht mit
Zeitungspapierfüllung besteht. Dann in der Mitte meine Kreuzabnahme. Oder
steht die Kreuzigung noch bevor? Bei einer Liebesgeschichte weiß man nie.
Der Krawattenträger von vorhin hat recht gehabt. Es ist natürlich ein
Liebespaar im Gehäuse. Sie sind einander zugewendet. Er schwebt vor ihr, sie
- etwas tiefer - schwebt vor ihm. Umarmen werden sie sich nicht. Wie könnten
sie auch, mit diesen Stummeln, die aus ihren Schultern wachsen. Aber
berühren könnten sie sich mit ihren Körpern. Ich stelle mir vor, daß sie es
tun. Ich wünsche es mir. |
 (Der
Pflug)
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Aber was zum Teufel hat dieser Cäsar auf der
Leiter rechts daneben zu suchen? Ein Voyeur, der den Liebenden beim Lieben
zuschauen will? Oder nur ein wohlwollender Beobachter? Mir fällt auf, daß
das Liebespaar von sehr merkwürdigen Gestalten umstellt ist. Vor dem
hölzernen Bau eine transparente Gestalt aus Metallbändern mit einem
Zirkel, vor sich ein Kubus aus dünnem Rahmen. Die Geburt der Geometrie?
Ein Homunculus aus dem Cyberspace? Rechts von der Leiter ein schrecklicher
Torso, nur aus Kopf und Oberkörper bestehend, auf einem lächerlich kleinen
und hohen Rollgestell. Ecce homo, schießt es mir durch den Kopf. Dahinter
ein Mann, der aus einem Fensterladen zu wachsen scheint. Er will ausgehen
und trägt den Schirm genauso über dem Arm, wie ihn mein Großvater zu
tragen pflegte, wenn er aus dem Haus ging. |

(Der Champion) |

(Ritter, Tod und Teufel) |
Ganz rechts eine komisch-schaurige Parodie des
Themas Ritter, Tod und Teufel, die als überdimensionale Kasperleköpfe um
einen Korb gruppiert sind. Ja, und dann vorn der rote Büstenhalter neben
einem Geigenbogen auf einem Notenblatt von Busoni (!). Das alles
arrangiert auf einer nach vorn offenen Weinkiste, aus der zerbeulte
Konservendosen hervorzuquellen scheinen. Mir fällt sofort eine wüste
Liebesgeschichte ein, die ich aber hier wohlweislich verschweige. Johannes
Musolf gönne ich sie. |
Ich werde aus meinen
Gedanken gerissen. Schon wieder steht eine ältere Dame neben mir und spricht
zu sich selbst. Also so was, also so was, murmelt sie, da hat ja einer
seinen Keller ausgeräumt und ins Museum gestellt. Ich schalte mich ein und
sage: Das machen wir Künstler alle so. Machen Sie keine Witze, junger Mann!
sagt sie streng. ich erkläre Ihr, daß ich keinen Witz gemacht habe, daß ich
es ganz ernst meine. Da kommt ein
schmunzelnder Johannes Musolf vorbei. Die Dame geht auf ihn zu und fragt
ihn, ob es stimme, daß die Künstler ihren Keller ausräumen und ins Museum
stellen. Ich hätte das behauptet, und sie deutet mit spitzem Zeigefinger auf
mich. Musolf und ich wechseln einen Blick. Sie räumen noch viel mehr aus,
sagt er und läßt die Dame stehen. Sie macht große Augen, schaut mich streng
an und wendet sich wieder dem Romanfragment zu.
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 (Die
Quadratur des Kreises)
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(Der Schlüssel) |
(Die kalte
Herberge) |
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